ESG-konforme Immobilien: Wie Nachhaltigkeit den Preis bestimmt

Chancen und Risiken für Immobilieninvestitionen

Wenn öffentlichkeitswirksam die Klimasünder angeprangert werden, bleibt ein Bereich häufig außen vor – überraschenderweise. Schätzungen zufolge verursacht der Immobilienbereich rund 38 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland. In den vergangenen Jahren hat die Politik zwar über Fördermaßnahmen und Auflagen versucht, diesen Hebel im Kampf gegen den Klimawandel zu bewegen. KfW-Standards, Passivhäuser, Wärmedämmung und Wärmepumpen sind dabei nur einige der Schlagworte. Viele der Maßnahmen waren bisher aber eher Stückwerk.

Um die Klimaziele zu erreichen, wird der Gebäudesektor in weit stärkerem Maße gefordert sein. Nachhaltigkeitskriterien im gesamten Lebenszyklus von Immobilien werden künftig relevant – von der Planung von Neubauten, der Sanierung von Bestandsimmobilien bis hin zur Akquisition von Investoren sowie der Vermietung und den Betrieb. Denn bislang hat vor allem dieser Wirtschaftsbereich die Ziele des Klimaschutzgesetzes verfehlt.

ESG-Kriterien zunehmend im Fokus bei Immobilien

Aktuell sind die Regularien noch sehr kleinteilig und in der Praxis schwierig umzusetzen. Es fehlen Erfahrungswerte, die jedoch durch juristische Begutachtung in Zusammenarbeit mit technischen Sachverständigen die Nachhaltigkeit von Immobilieninvestments nachweisbar und wertbildend sichtbar machen können.

Dabei gehen die Ansprüche über den Klimaschutz hinaus. Auch soziale Verantwortung und gute Unternehmensführung geraten zunehmend in den Fokus von Politik und Wirtschaft und lassen sich unter den Schlagwörtern Environmental, Social & Governance (ESG) zusammenfassen.

Die wesentlichen, durch die EU erlassenen Regularien, sind die Offenlegungs-Verordnung (Verordnung (EU) 2019/2088) sowie die Taxonomie-Verordnung (Verordnung (EU) 2020/852), die ergänzt wird durch die delegierte Verordnung (Verordnung (EU) 2020/1816). Diese Verordnungen stützen sich auf das Thema Environmental.

Transparente Darstellung der Umweltfolgen

Die Offenlegungs-Verordnung ist in Kraft. Ziel ist die Transparenz, ob es sich bei einem auf dem Finanzmarkt angebotenen Produkt um ein nachhaltiges Produkt handelt. Anleger sollen bereits im Vorfeld der Vertragsanbahnung aktiv informiert werden, ob und inwieweit die produktanbietenden Unternehmen ökologische und soziale Standards sowie die Kriterien guter Unternehmensführung beachten.

Erfasst werden durch die Offenlegungs-Verordnung sogenannte Finanzmarktteilnehmer. Gemeint sind Unternehmen, die Leistungen im Rahmen der Portfolioverwaltung oder der kollektiven Vermögensverwaltung erbringen sowie Versicherungsunternehmen, alternative Investmentfonds (AIV) wie Immobilienspezialfonds. Hier muss die Umsetzung der Verordnungen insbesondere durch die Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGs) erfolgen.

Die Taxonomie-Verordnung ist seit dem 01. Januar 2022 ebenfalls anzuwenden. Sie implementiert ein in der EU einheitliches Klassifizierungssystem zur Festlegung der Maßstäbe und Anforderungen nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten. Die TaxonomieVO richtet sich ebenfalls an sogenannte Finanzmarktteilnehmer sowie Unternehmen, die verpflichtet sind, nichtfinanzielle Erklärungen zu eröffnen.

Weitere gesetzliche Regelungen zur Nachhaltigkeit sind zu erwarten

Derzeit erfasst der Anwendungsbereich der Offenlegungs-Verordnung sowie der Taxonomie-Verordnung noch nicht die komplette Immobilienbranche. Es gibt bei der Erfüllung hohe technische Anforderungen. Unklar ist zudem, wie Informationen richtig ermittelt werden und wie vergleichbar sie sind. Auch gibt es keine Differenzierung nach Nutzungsart der Immobilie (Wohnen, Gewerbe, Verwaltung).

In den nächsten Monaten werden zahlreiche weitere Vorgaben der Europäischen Union in Bezug auf nachhaltiges Wirtschaften in Kraft treten. Deshalb erwarte ich, dass künftig – neben den alternativen Investmentfonds – weitere Marktteilnehmer aus der Immobilienbranche unmittelbar von EU-Regulierungen betroffen und verpflichtet werden.

Die Klassifikation einer Immobilie als ESG-konform könnte schon bald als wertbildender Faktor und damit insbesondere als Werterhaltung einer Immobilie zu Geltung gelangen. Beim An- und Verkauf von Immobilien sollte der Grad der Taxonomie-Konformität geprüft werden. Je nachdem, wie das Ergebnis der juristischen Prüfung ausfällt, kann festgelegt werden, welche Anforderungen ggf. noch zu erfüllen sind und welchen Aufwand eine solche „Nachrüstung“ der entsprechenden Immobilie erfordert.

ESG hat Einfluss auf den Kaufpreis

Dadurch kann ESG zum ausschlaggebenden Kriterium für den Immobilienkauf werden – über den Preis bestimmen und sogar zum Deal-Breaker werden.

Finanzdienstleister sollten ihre Immobilien und Immobilieninvestitionen einer gründlichen Prüfung unterziehen und die neuen Berichtspflichten beachten. Wichtig ist dabei, keine irreführenden oder falschen Informationen zu publizieren. Es drohen Haftung und Schadensersatzansprüche gemäß § 306 KAGB für fehlerhafte Verkaufsprospekte, §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 1 und 2 BGB (cic) für fehlerhafte Werbeerklärungen, § 826 BGB bei sittenwidriger und vorsätzlicher Schädigung („Greenwashing“) und § 249 BGB bei Verletzung von Transparenzpflichten.

Petra Swai