Ein Fußballer in einem roten Trikot rutscht mit gestrecktem Bein in den Ballführenden Fußballer mit schwarzem Trikot rein und spielt dadurch Foul.

Geld schießt keine Tore, spielt aber trotzdem manchmal Foul

Anti-Korruptions-Agentur könnte Vetternwirtschaft und Bestechlichkeit im Sport verfolgen.

Zunächst einmal bekenne ich: Ich bin kein Hardcore-Fußball-Fan, die jedes Wochenende ins Stadion geht und deren Laune durch das Spielergebnis des eigenen Lieblingsvereins bestimmt wird. Ich bin eher eine typische Großereignis-Fußballschauerin. Eine WM oder EM im Sommer mit vielen Freunden, Public Viewing im Freien – das ist eher mein Geschmack. In diesem Jahr hat es das aber nicht gegeben, denn die vor der Tür stehende Fußball-WM findet in Katar statt und für uns damit im Winter.

Ein schlechtes Gefühl schwingt mit

Wieso ein Land, welches keine Fußballtradition aufweist, eine Fußball-WM austrägt, versteht man auf den ersten Blick nicht. Warum die WM für uns im Winter stattfindet, schon eher. Im Sommer ist es in Katar einfach zu heiß für ein Fußballspiel. Es wäre mit gesundheitlichen Schäden bei Spielern und Zuschauer:innen zu rechnen. Das spricht für eine gewisse Fürsorglichkeit. Dennoch fragt man sich, warum viele Menschen bei dem Gedanken an eine Fußball-WM in Katar ein schlechtes Gefühl beschleicht.

Und Katar ist nicht das einzige Beispiel. Auch die Fußball-WM-Vergabe nach Russland 2018 wurde stark kritisiert. Auch hier ging es – ähnlich wie bei Katar – um die Arbeitsbedingungen der ausländischen Gastarbeiter:innen. Zudem wurden immer wieder aufflammende Dopingvorwürfe gegen Russland und außenpolitische Eklats von den Kritiker:innen angeführt. Selbst die Vergabe der Fußball-WM 2006 nach Deutschland ist von Kritik umweht, gilt sie doch als mutmaßlich gekauft.

Liegt das alles daran, dass die Vergabe von derartigen Sportveranstaltungen nicht ausreichend transparent ist? Oder an den damit zusammenhängenden Kosten, die nicht detailliert genug dargestellt werden? Warum umweht solche Großereignisse häufig ein Hauch von Vetternwirtschaft? Wird der Fair-Play-Gedanke hier wirklich verfolgt?

Verfolgung von Korruption im Sport

Zu diesen Überlegungen passt eine aktuelle Diskussion: Aus den Reihen der Grünen im EU-Parlament wurde die Schaffung einer Anti-Korruptions-Agentur im Sport gefordert. Neben Vertreterinnen und Vertretern aus dem Sport sollen auch Juristinnen und Juristen dieser Agentur angehören. Die Verfolgung von Korruption solle ermöglicht werden und eine unabhängige Kontrolle der Sportverbände stattfinden – ähnlich wie bei der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA).

Ein solcher Vorschlag ist zumindest überlegenswert. Im Sport, sowohl im In- als auch im Ausland, wird viel Geld investiert. Fußball-Bundesliga-Vereine sind schon lange keine Sportvereine mehr, sondern Wirtschaftsunternehmen, die, wie beispielsweise Industrieunternehmen auch, Compliance-Vorgaben unterliegen. Sportverbände entscheiden durch die Vergabe von Sportereignissen an bestimmte Länder über hohe Investitionen in eben diesen Ländern. Dies geht einher mit einer enormen öffentlichen Aufmerksamkeit, an der wiederum Medienverträge, Tourismuseinnahmen und somit auch ökonomischer Wohlstand hängen. Und eben aus diesem Grund muss sichergestellt sein, dass nicht sachfremde Erwägungen, etwa die Höhe einer verdeckten Zuwendung, die ausschlaggebende Rolle spielt.

Merkmale einer Anti-Korruptions-Agentur

Eine Anti-Korruptions-Agentur müsste allerdings glaubwürdig sein. Hierfür spielen verschiedene Aspekte eine Rolle, namentlich ihre

  • Unabhängigkeit

Die Anti-Korruptions-Agentur muss von Sportverbänden, Medienanstalten und der Politik unabhängig sein. Hieraus ergibt sich die Frage der Finanzierung der Agentur. Finanzierung und Entscheidungsgewalt dürften nicht zusammenhängen, sondern müssen voneinander getrennt werden.

  • Transparenz

Aufgaben der Anti-Korruptions-Agentur könnten beispielsweise die Kontrolle von Vergabeentscheidungen oder auch die zweckmäßige Verwendung von Zahlungen sein. Hierzu braucht es einheitliche, klare Kriterien. Die Kontrollen durch die Anti-Korruptions-Agentur sollten nachvollziehbar und transparent dargestellt werden und in einem angemessenen Zeitrahmen erfolgen.

Auch Kriterien wie Menschenrechte, Umweltschutz und ganz allgemein Nachhaltigkeit sollten berücksichtigt werden. Ob es dann künftig noch zu einer Fußball-Weltmeisterschaft in Katar oder Asia-Spielen käme, dürfte fraglich sein.

  • Rechenschaftspflicht

Hier stellt sich die Frage, wer den Kontrolleur kontrolliert. Rechenschafts- und umfangreiche Tätigkeitsberichte müssten dafür sorgen, dass keine Kritik an den Kontrolleuren aufkommen kann.

Die Agentur darf kein Altersruhesitz für ehemalige Sportler:innen oder Funktionäre werden, sondern muss motivierte Mitarbeiter:innen haben, die leistungsgerecht bezahlt werden, um nicht selbst Gegenstand einer möglichen Vetternwirtschaftsdiskussion zu werden.

  • Justitiabilität

Glaubwürdig wird die Arbeit der Agentur zudem erst dann, wenn Verdachtsmomente ordentlich aufgearbeitet und Verstöße geahndet werden können. Inwieweit dies weltweit sichergestellt werden kann, bleibt abzuwarten. Aber wie heißt es ganz sportlich in einem Spruch, der dem chinesischen Philosophen Lao-tse zugeschrieben wird: Auch der weiteste Weg beginnt mit dem ersten Schritt.

Jetzt bin ich von der schönsten Nebensache der Welt bei einem meiner Herzensthemen angelangt: der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei Ihrem Sport. Möge Ihr Verein immer gewinnen und wenn nicht: Es ist doch nur ein Spiel.

Barbara Scheben