Mann sitzt am Schreibtisch mit Kopfhörern.

Hinweisgeberschutzgesetz: Drei Tipps für die Umsetzung

So kann das Whistleblowing-System ein Erfolgskonzept werden.

Das Hinweisgeberschutzgesetz ist seit Juni 2023 in Kraft. Noch immer haben es nicht alle betroffenen Unternehmen umgesetzt. Dabei ist der Aufwand gar nicht so groß. Und wenn man ein paar Dinge beachtet, kann ein Hinweisgeberschutzsystem ein echtes Erfolgsmodell werden.

Deswegen haben auch viele Unternehmen nicht gewartet, bis Deutschland die EU-Richtlinie zum Schutz von Personen, die Gesetzesverstöße melden (Whistleblower), in nationales Recht umsetzt, sondern haben schon vorher Whistleblowing-Hotlines etabliert. Interne Meldekanäle sind in großen Unternehmen längst Teil des Compliance-Management-Systems. Der Grund: Für Unternehmen ist es unerlässlich, von internen Rechtsverstößen zu erfahren, um diese abstellen zu können. Doch auch Unternehmen, die schon Meldestellen haben, müssen die Vorgaben des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes beachten und vorhandene Systeme gegebenenfalls anpassen. Alle Unternehmen, die unter den Anwendungsbereich des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes beziehungsweise der EU-Lieferkettenrichtlinie CSDDD fallen, sollten die Meldemechanismen sinnvoll verknüpfen.

Das regelt das Hinweisgeberschutzgesetz

Alle Beschäftigungsgeber mit 50 oder mehr Beschäftigten müssen eine interne Meldestelle einrichten. Bei dieser können Beschäftigte Verstöße gegen EU-Recht sowie Straftaten, bestimmte Ordnungswidrigkeiten und andere im Gesetz genannte Rechtsverstöße melden. Die Meldestellen müssen Hinweise in mündlicher oder in Textform entgegennehmen sowie persönliche Treffen zulassen. Geht ein Hinweis ein, überprüft die Meldestelle ihn auf Stichhaltigkeit und leitet Folgemaßnahmen ein. Das sind in der Regel zunächst interne Untersuchungen.

Das Hinweisgeberschutzgesetz sieht außerdem externe Meldestellen, unter anderem beim Bundesamt für Justiz, vor. An diese können sich Whistleblower alternativ wenden. Die bestehenden Meldestellen bei der Bafin und beim Bundeskartellamt sollen weitergeführt werden.

Der Kern des Gesetzes ist der Schutz der Whistleblower vor Repressalien. Sie dürfen im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit nicht benachteiligt werden. Kommt es trotzdem dazu, können die hinweisgebenden Personen Schadensersatz fordern.

Erfolgsfaktor 1: Vertrauen schaffen, Betriebsrat beteiligen

Unternehmen und sonstige Organisationen sollten über Gesetzesverstöße in den eigenen Reihen Bescheid wissen, damit sie diese schnellstmöglich abstellen können. Es ist im Interesse eines Arbeitgebers beziehungsweise Dienstherrn, für Hinweise zu rechtswidrigem Verhalten die erste Anlaufstelle zu sein. Aus Sicht der Organisation nicht wünschenswert ist es hingegen, dass Beschäftigte sich direkt an externe Meldestellen oder gar an die Presse wenden.

Daher ist es wichtig, dass Mitarbeitende Vertrauen in die interne Meldestelle haben. Der Arbeitgeber sollte aus diesem Grund umfassend über die Meldestelle informieren, insbesondere über die vertrauliche Behandlung der eingegangenen Hinweise und den Schutz der Hinweisgebenden vor Repressalien. Die mit den Aufgaben der Meldestelle beauftragten Personen müssen unabhängig und weisungsfrei sein. Das schreibt das Hinweisgeberschutzgesetz vor. Dies sollte der Belegschaft auch kommuniziert werden.

Auch an den Betriebsrat sollte gedacht werden. Ob die Ausgestaltung des Meldesystems nach Paragraf 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist, hängt von der technischen Umsetzung ab. Je nach individueller Regelung des Hinweisgeberschutzes kommt auch eine Mitbestimmungspflicht nach Paragraf 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in Frage. Aber auch wenn ein Mitbestimmungsrecht im Einzelfall nicht besteht, kann es sinnvoll sein, den Betriebsrat bei der Gestaltung der Meldekanäle zu beteiligen, um das Vertrauen der Beschäftigten zu erhöhen. Wichtig ist ebenfalls, dass das Management das Hinweisgeberschutzgesetz kennt und insbesondere mit dem Benachteiligungsverbot vertraut ist. Denn jede nachteilhafte Maßnahme kann als unzulässige Repressalie zu interpretieren sein. Dahinter steht in den meisten Fällen regelmäßig die Entscheidung einer Führungskraft.

Erfolgsfaktor 2: Das Hinweisgebersystem so attraktiv wie möglich machen

Um Kenntnis von möglichst allen Missständen und Verstößen zu bekommen, sollten Arbeitgeber die Meldekanäle so attraktiv und einfach wie möglich gestalten und auf den Bedarf ihrer Beschäftigten ausrichten. Es wird oft mehrere Wege geben, Hinweise abzugeben: eine Hotline, ein elektronisches Postfach, ein Büro, das man persönlich aufsuchen kann, oder auch ein IT-Tool. Welchen Kanal das Unternehmen bzw. die Organisation dann als die Meldestelle im Sinne des HinSchG definiert, ist eine nicht zu unterschätzende Frage.

Je nach Unternehmen kann es günstig und je nach Sachverhalt sogar verpflichtend sein, dass Hinweise auch in anderen Sprachen als Deutsch entgegengenommen werden. Informationen über die Meldekanäle sollten die Mitarbeitenden einfach auffinden können.

In Konzernen ist grundsätzlich jede Konzerngesellschaft mit mehr als 50 Mitarbeitenden zur Einrichtung einer Meldestelle verpflichtet. Laut Gesetzesbegründung kann der Meldekanal aber auch zentral bei einer anderen Konzerngesellschaft als „Dritter“ im Sinne von Paragraf 14 Abs. 1 HinSchG etabliert werden. Die originäre Verantwortung dafür, einen festgestellten Verstoß zu beheben und weiterzuverfolgen, verbleibt allerdings auch im Fall der zentralen Übernahme der Fallbearbeitung bei der jeweils betroffenen Konzerngesellschaft.

Von welcher Möglichkeit ein Unternehmen beziehungsweise eine Organisation Gebrauch machen sollte, kann unter anderem davon abhängen, wie eng die einzelnen Gesellschaften miteinander verbunden sind. Es spricht allerdings nichts dagegen, eine zentrale Meldestelle zusätzlich zu den dezentralen Meldestellen der einzelnen Konzerngesellschaften einzurichten.

Erfolgsfaktor 3: Sinnvolle Verknüpfung zum Hinweisgebersystem nach dem Lieferkettengesetz

Für Unternehmen beziehungsweise Konzerne mit mindestens 1.000 Mitarbeitenden gilt neben dem Hinweisgeberschutzgesetz auch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Dieses sieht in Paragraf 8 einen Beschwerdemechanismus vor. Im Unterschied zum Hinweisgeberschutzgesetz muss im Rahmen des LkSG allerdings nicht nur Mitarbeitenden, sondern auch Personen und sonstigen potenziell Beschwerdeberechtigten außerhalb des Unternehmens wie Gewerkschaften die Möglichkeit gegeben werden, Meldungen abzugeben. Auch die Beschwerdegegenstände decken sich nur teilweise; das LkSG regelt nur menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflichtverletzungen. Die jetzt von der EU beschlossene europäische Lieferkettenrichtlinie CSDDD sieht ein noch weitergehendes Beschwerdeverfahren vor. Die potenziell Beschwerdeberechtigten der gesamten Wertschöpfungskette müssen künftig Zugang zum Beschwerdemechanismus bekommen.

Bei der Einrichtung eines gemeinsamen Meldekanals ist Folgendes zu berücksichtigen:

Werden Beschwerdemechanismus nach LKSG und Meldekanal nach Hinweisgeberschutzgesetz etwa in ein IT-gestütztes Tool integriert, ist zum Beispiel auf die unterschiedlichen Löschfristen zu achten: Während Hinweise nach dem Hinweisgeberschutzgesetz im Grundsatz nach drei Jahren zu löschen sind, müssen sie nach dem LkSG derzeit sieben Jahre aufbewahrt werden. Hinweise sollten demnach immer eindeutig einem Gesetz zugeordnet werden.

Nach dem Hinweisgeberschutzgesetz müssen Beschäftigungsgeber ihre Mitarbeitenden darüber informieren, dass sie statt der internen eine externe Meldestelle in Anspruch nehmen können. Nach dem LkSG hingegen ist ein Hinweis der potenziell Beschwerdeberechtigten auf etwaige externe Meldekanäle nicht erforderlich.

Fazit: Hinweisgebersysteme bieten viele Vorteile, wenn sie richtig implementiert werden

Inzwischen haben fast alle EU-Mitgliedsstaaten die Richtlinie umgesetzt.  Zuletzt haben Polen und Estland nationale Umsetzungsgesetze erlassen. Den jeweils aktuellen Stand der Umsetzung der Richtlinie in den einzelnen Ländern sowie die jeweils lokal geltenden Leitplanken können Sie im Whitepaper der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH nachlesen.

Das Hinweisgeberschutzgesetz enthält sinnvolle Vorgaben und kann wesentlich dazu beitragen, die Compliance in Unternehmen und sonstigen Organisationen konstruktiv zu stärken, sowohl was die Aufdeckung erfolgter Verstöße als auch was die Prävention künftiger Verstöße angeht. Die Chancen für Meldungen sind höher, wenn die hinweisgebende Person anonym melden kann oder jedenfalls sicher sein kann, dass ihr aufgrund der Meldung keine Nachteile drohen. Hierfür ist eine gute Kommunikation mit allen Stakeholdern ebenso wichtig, wie bequem nutzbare Meldekanäle. Größere Unternehmen sind auch nach dem LkSG verpflichtet, Meldestellen einzurichten. Sollen diese jedoch auch Hinweise nach dem Hinweisgeberschutzgesetz entgegennehmen, sind die Unterschiede der beiden Gesetze zu beachten.