ESG: Ladeinfrastruktur - Ein Ladekabel steckt in einem Elektroauto.

Ladeinfrastruktur in Deutschland: Schnellerer Ausbau notwendig

Elektromobilität: So könnte der Ausbau der Ladeinfrastruktur beschleunigt werden.

Elektrisch betriebene Fahrzeuge werden immer beliebter. Im Juni 2022 waren 14,4 Prozent aller in Deutschland neu zugelassenen Pkw reine Elektroautos, Plug-in-Hybride hatten einen Marktanteil von 11,7 Prozent. Auf unseren Straßen sind derzeit rund 1,49 Millionen Elektrofahrzeuge unterwegs: fast 786.000 batterieelektrische Fahrzeuge und etwas mehr als 704.000 Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge. Bis 2035 sollen es 15 Millionen E-Fahrzeuge werden – das ist zumindest das Ziel der Bundesregierung.

Ziel: Eine Million öffentliche Ladesäulen

Die immer mehr werdenden E-Autos benötigen im öffentlichen Raum ausreichend Stellen, an denen sie nutzerfreundlich geladen werden können. Deshalb ist der Ausbau der Ladeinfrastruktur einer der zentralen Schlüssel, um das Ziel im Rahmen der nachhaltigen Verkehrswende zu erreichen. Die Bundesregierung strebt an, bis 2030 eine Million öffentlich zugängliche Ladesäulen zur Verfügung zu stellen – aktuell sind es rund 62.000. Perspektivisch sollen dabei u. a. alle Rastanlagen an Bundesautobahnen mit Schnellladesäulen ausgestattet werden.

Dazu hat das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) kürzlich den novellierten „Masterplan Ladeinfrastruktur II“ erarbeitet und als Regierungsentwurf veröffentlicht. Er soll laut Bundesverkehrsminister Volker Wissing „den Takt für die Aktivitäten der Bundesregierung“ vorgeben: Der Masterplan mache „deutlich mehr Tempo“ beim Ausbau, so Wissing.

Neuer EU-Beschluss erhöht den Druck zum Ausbau der Ladeinfrastruktur

Mehr Tempo ist auch notwendig, denn die Entscheidung der Europäischen Union, von 2035 an nur noch klimaneutrale Neufahrzeuge in der EU zuzulassen, hat den Druck zusätzlich verstärkt, in Deutschland schneller weitere Ladestationen zu installieren. Ohnehin ist schon länger zu beobachten, dass die Zahl der Ladepunkte im Verhältnis langsamer steigt als die der zugelassenen E-Autos.

Bisher zeichnet sich ab, dass die Bundesregierung ihr Ladesäulenziel möglicherweise nicht wird erreichen können. Ob und wann dies der Fall sein wird, ist zurzeit kaum abzusehen, denn durch den Russland-Ukraine-Krieg wird die Rohstoff- und Energieversorgung in Europa mittelfristig neu geordnet: Die EU-Staaten wollen bei Öl und Gas unabhängiger von Russland werden.

Was den Ausbau der Ladeinfrastruktur bremst

Klar ist aber: Es gibt in Deutschland diverse Herausforderungen, die die Erweiterung der Ladeinfrastruktur und damit den Umstieg zur Elektromobilität verlangsamen. Drei wesentliche Aspekte sind hier zu nennen:

  • Es existieren hierzulande – vor allem im Vergleich zu anderen Ländern – sehr viele regulatorische Vorgaben, etwa im Baurecht, Energierecht, Vergaberecht, Straßen- und Wegerecht sowie u. a. auch spezifische Mess- und Eichrechte. Hier sollte geprüft werden, inwieweit Regulatorik abgebaut werden kann, um z. B. Genehmigungsverfahren für die Einrichtung von Ladestationen zu beschleunigen.
  • Auch Stadtwerke und Umspannwerke müssen mit neuen Herausforderungen umgehen, da sich durch eine fortschreitende Elektrifizierung des Verkehrs die Energienachfrage dieses Sektors im Tagesverlauf stark verändern wird.
  • Die Kommunen scheuen zum Teil das Thema Ladestationen, da sie damit eine Verantwortlichkeit auf kommunaler Ebene verbinden – zum Beispiel für Installation und Wartung der Ladepunkte selbst zuständig zu sein im Rahmen der Umsetzung. In den Kommunen ist teilweise nicht vollumfänglich bekannt, dass Betreiber von Ladeinfrastruktur sehr stark eigenverantwortlich entsprechende Mittel anbieten, um Ladesäulen zu installieren und auch zu warten. Darüber hinaus ist den Kommunen zum Teil nicht bekannt, welche umfangreichen Förderprogramme der Bund zum Ausbau der Ladeinfrastruktur zur Verfügung stellt und wie die Fördermittel effektiv beantragt werden können.

Kommunen besser unterstützen, Private einbinden

Wichtig ist insbesondere der letzte Punkt: „Dem Aufbau öffentlicher Ladeinfrastruktur in den Kommunen kommt eine Schlüsselstellung zu“, formuliert das Bundesverkehrsministerium. In dessen Auftrag hat die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur die Koordination und Steuerung der Aktivitäten zum Ausbau der Ladepunkte in Deutschland übernommen. Sie unterstützt u. a. Kommunen beim Planen, Umsetzen, Finanzieren und Fördern der Ladestandorte.

So bietet das Planungswerkzeug StandortTOOL interaktive Karten zu Ladebedarfen, Ladeinfrastruktur und Förderprogrammen als Hilfestellung zu Standortentscheidungen. Seit Sommer 2021 läuft bis Ende 2025 das Förderprogramm „Öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in Deutschland“ des BMDV mit einem Fördervolumen von 500 Millionen Euro.

Dennoch sollten Kommunen noch stärker unterstützt werden, um Chancen und Finanzierungsmöglichkeiten als Inkubatoren für einen schnelleren Ausbau der Ladeinfrastruktur zu etablieren. Auf der Ebene der Bundesländer ist hier der Betrieb von Landesagenturen hilfreich, wie etwa e-mobil BW des Landes Baden-Württemberg. Solche Landesagenturen können zum Beispiel auf Webseiten Informationsangebote etwa zu Förderausschreibungen liefern, Netzwerke etablieren oder Workshops zum Förderprozess anbieten.

Wichtig ist dabei auch, private Investitionen zielgerichtet einzubinden, um die Installation von Ladestationen in der Fläche schneller voranzubringen. Dies erfordert eine erhöhte staatliche Koordinierung sowie Anreize, um Investoren und Betreiber von Ladeinfrastruktur noch stärker zur Beteiligung zu motivieren. Hierbei gilt es, die Attraktivität von Ladeinfrastruktur als Geschäftsmodell zu steigern.

Stromnetze für Elektromobilität ertüchtigen: Smart Grid und Smart Charging

Außerdem sind Stromnetze und Elektromobilität stärker zu koppeln. Die Integration der Ladestandorte ins Stromnetz ist dabei ein wesentlicher Punkt: Das Laden eines Elektrofahrzeugs bedeutet eine deutlich höhere Belastung des Netzes als z.B. bei Elektrogeräten. Viele zeitgleiche Ladevorgänge könnten lokale Verteilnetze an ihre Grenze bringen. Daher ist – neben einem möglichen Ausbau der Netze – ein smartes Netzmanagement erforderlich, das die Auslastung überwacht und bei drohender Überlastung des Netzes gezielt reagieren kann.

Das Smart Grid sollte zudem gut mit dem Lademanagement verzahnt werden: Werden Ladevorgänge intelligent gesteuert, lassen sich punktuelle Lastspitzen glätten bzw. Überlastungen vermeiden. Dies zeigt, dass es essenziell ist, die Potenziale der Digitalisierung im Netzbereich konsequent zu nutzen und auch bei der Ladeinfrastruktur die Digitalisierung deutlich voranzutreiben. Nicht nur im Hinblick auf intelligente Ladesäulen (Smart Charging), sondern auch, um ein für Nutzer:innen attraktives Gesamtsystem zum Laden ihrer elektrisch betriebenen Fahrzeuge zu schaffen.

Dazu gehört etwa, die Zahlungsmöglichkeiten an den Ladesäulen zu verbessern, um die Nutzerfreundlichkeit zu erhöhen. Smart, d. h. digital gesteuerte Strompreise können zudem dafür sorgen, dass beim Laden der Elektrofahrzeuge die Netzkapazitäten besser genutzt werden.

Insgesamt zeigt sich, dass auf dem Weg zur Elektrifizierung und der damit einhergehenden Dekarbonisierung des Verkehrs noch einiges zu tun ist. Die Kommunen spielen mit ihren Stadtwerken eine Schlüsselrolle bei der Elektromobilität und sollten daher noch stärker als bisher unterstützt werden, damit der angestrebte Markthochlauf gelingt.