Unser „Global Automotive Executive Survey 2020“ zeigt, dass der weltweite Automarkt vor einem Umbruch steht. Die Entscheider aus der Automobilbranche sind überzeugt, dass in zehn Jahren höchstens noch jedes 20. Auto in Westeuropa produziert wird und Verbrennungsmotoren nur noch einen Marktanteil von 25 Prozent haben werden. Derzeit wird noch etwa jedes fünfte Auto in Westeuropa gebaut und PKW mit Verbrennungsmotoren haben den größten Anteil.
Die Entwicklungen in den wichtigsten Regionen. Ein Ausblick
Ich bin überzeugt, dass es auch den globalen Markt, wie wir ihn kennen, nicht mehr geben wird. Der althergebrachte, einheitliche Weltmarkt für PKW ist in der Auflösung begriffen. Covid-19 hat und wird den Zerfall in regionale Märkte noch beschleunigen. Und es gibt weitere Gründe für die Deglobalisierung: die Industriepolitik und die Rohstoffverfügbarkeit in den jeweiligen Ländern. Geopolitische Spannungen führen ebenfalls dazu, dass sich die Märkte zunehmend regionalisieren.
USA: Vertrauensverlust nach geopolitischen Spannungen
In den USA ist in den vergangenen Jahren stark in die Fracking-Industrie investiert worden; das Ölaufkommen ist zudem hoch. Deswegen wird die Mehrzahl der Autos dort auch in den kommenden Jahren mit Verbrennungsmotoren angetrieben werden. Unsere Untersuchung zeigt aber, dass die Entscheider in den Vereinigten Staaten deutlich mehr Wert darauf legen, in den kommenden Jahren wettbewerbsfähige Hybrid-Modelle zu entwickeln. Das entspricht vielen Kundenwünschen in den USA. Denn in unserer Umfrage antworteten 31 Prozent, dass sie sich in den kommenden fünf Jahren einen PKW mit Hybrid-Antrieb kaufen würden. Allerdings bevorzugen 31 Prozent auch einen Verbrennungsmotor.
Spannend wird sein, wie sich die geopolitischen Verwicklungen mit China entwickeln werden – auch nach einer möglichen Abwahl des amtierenden US-Präsidenten im November. Die Spannungen und Strafzölle haben in den vergangenen Monaten zu einem Vertrauensverlust im amerikanischen Markt geführt. Der dürfte nur schwer wieder wett zu machen sein und könnte auch in den nächsten Monaten und Jahren zu negativen Auswirkungen führen, wie niedrigere Absatzzahlen in den USA.
Europa: Hohe Innovationskraft trotz großer Liebe zum Verbrenner
Hier sehe ich kein einheitliches Bild. Während etwa in Skandinavien der Anteil von Elektro- und Hybridautos groß ist – in Norwegen liegt er bei fast 50 Prozent – ist der Durchbruch des E-Autos in Deutschland noch nicht zu erkennen. Das liegt auch an der unterschiedlichen Förderung durch die Politik in den Ländern. Ob sich die Elektromobilität durchsetzt, ist zum einen eine Frage der Incentivierung und zum anderen eine nach der Infrastruktur. In Deutschland gibt es zu wenige Ladestationen. Wer auf einen elektrisch angetriebenen Wagen setzt, sollte bei längeren Touren gut planen, um nicht mit einer leeren Batterie stehen zu bleiben. Ich denke, wenn es mehr Ladestationen und Kaufanreize gibt, wird die Zahl der E-Autos auch in Deutschland in den kommenden Jahren deutlich steigen. Dass in absehbarer Zeit norwegische Verhältnisse herrschen, bezweifele ich allerdings. Ich glaube langfristig eher an einen Mix aus verschiedenen Antriebsformen.
Obwohl in Europa und speziell in Deutschland die Liebe zum Verbrenner nach wie vor groß ist, herrscht eine große Innovationskraft, wenn es um die Entwicklung von alternativen Antrieben geht. Deswegen wird der Kontinent bei der Entwicklung neuer Modelle weiterhin eine führende Rolle spielen und sich einen harten Wettbewerb mit China liefern. Trotz allem wird es auf dem europäischen Markt zu Konsolidierungen kommen. Unter anderem getrieben durch die Covid-19-Krise.
China: Branchenexperten glauben an dominante Rolle bei Elektroantrieb
Während man in Europa und den USA lange die Weiterentwicklung von Verbrennungsmotoren vorangetrieben hat, wird in China schon lange an elektrischen Alternativen gearbeitet. Dort wurde erkannt, dass der Vorsprung Europas und der USA bei Verbrennungsmotoren nicht aufzuholen ist – und stattdessen wurde der Fokus auf die Entwicklung starker Batterien gelegt. Dazu kommt, dass China auch über die Rohstoffe wie etwa Lithium verfügen kann, um entsprechende Akkus zu bauen. In unserer Umfrage zeigen sich die Entscheider aus der Automobil-Branche überzeugt davon, dass China bei der Entwicklung von Elektroautos den Markt weiterhin dominieren und Europa und den USA überlegen sein wird.
China hat in den vergangenen Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung gemacht. China hat begonnen selbst innovative Impulse zu setzen und sich im Bereich E-Mobility die Marktführerschaft gesichert. Und chinesische Führungskräfte setzen seit einigen Jahren auf einen weiteren Trend – autonomes Fahren. In den USA und in Europa sind Entscheider deutlich zurückhaltender.
Fazit: Über die weitere Entwicklung der Märkte entscheiden die Fördermaßnahmen der Politik und die Kunden
Der globale Automarkt zerfällt. Das Auto, das sich in China genauso gut verkauft wie in Deutschland und den USA, wird es nicht mehr geben. Die Verfügbarkeit von Rohstoffen, die Industriepolitik, geopolitische Entscheidungen und die Entwicklungen der Post-Covid-Ära bestimmen entscheidend darüber mit, wie sich die einzelnen Märkte entwickeln werden.