Eine Unterteilung einer S/4HANA-Einführung in Etappen bietet die Chance, Mehrwert schrittweise zu generieren. Nur wenige Vorstände sehen die S/4HANA-Einführung als reines IT-Projekt. Stattdessen sollten die Erwartungen aus den Business-Bereichen einfließen, um Prozesse zu konsolidieren.
Für die Umstellung der SAP ERP-Systeme, vor der die meisten Unternehmen in Deutschland stehen, waren im vergangenen Jahr zwei Ereignisse relevant: zum einen die Ankündigung von SAP, die Wartung der aktuellen ERP-Versionen bis 2027 zu verlängern, und zum anderen natürlich die Pandemie mit ihren vielfältigen Auswirkungen.
Interessant dabei: Weder das eine noch das andere hat die ERP-Transformationsplanungen der Unternehmen entscheidend beeinflusst. Das zeigt die neue Umfrage, die wir gemeinsam mit Lünendonk zum Status quo der S/4HANA-Projekte durchgeführt haben. Die meisten Unternehmen halten an ihrer Zeitplanung fest: Der Großteil will 2022 oder 2023 mit der Implementierung beginnen und die Einführung bis 2025 abschließen. Nur sehr wenige lassen wegen der Krise ihre ERP-Planungen ruhen.
Realistische Zeitrahmen setzen
Letzteres ist erfreulich. Die Unternehmen erkennen offenkundig die Vorteile der Transformation und wollen diese – Corona hin oder her – auch in absehbarer Zeit für sich nutzen. Die angepeilten Zeitrahmen hingegen kann man kritisch sehen. Wir haben schon früher darauf hingewiesen, dass die Projektplanungen aus unserer Sicht häufig ambitioniert erscheinen. Die Neueinführung von S/4HANA ist komplex (Studie) und aufwändig, erst recht, wenn man die Chancen zur Optimierung der Prozesse und zur Modernisierung der gesamten Systemlandschaft ergreifen will.
Die teils über Jahre laufenden Einführungen des ERP-Systems R/3 haben abgeschreckt, und gewiss wünscht niemand eine Wiederholung dieser Erfahrungen bei S/4HANA. Dennoch sollte man realistischerweise davon ausgehen, dass der Zeitrahmen von der ersten Einführung bis zum Abschluss des Roll-Outs in der gesamten Organisation inklusive Ländergesellschaften eher mehr als zwei Jahre umfasst.
Interesse an Greenfield wächst
Ein rein technisches ERP-Update ohne weitere Struktur- und Prozessoptimierungen (Brownfield) wird nur von einer kleinen Minderheit noch favorisiert, wie die neue Studie zeigt. Die Präferenz für Brownfield ist im Vergleich zur ersten Umfrage im Sommer 2019 deutlich gesunken, und der Greenfield-Ansatz und gemischte Ansätze gewinnen erheblich an Attraktivität.
Auch das ist eine positive Botschaft. Die Betrachtung der S/4HANA-Einführung als reines IT-Projekt wird von immer weniger Führungsebenen geteilt. Stattdessen fließen die Erwartungen aus den Business-Bereichen, im Zuge der Einführung auch Prozesse zu optimieren und zu digitalisieren sowie Systeme zu konsolidieren, in die S/4HANA-Projekte ein. Damit werden Unternehmen automatisch einen gemischten Ansatz wählen. Eine komplette Neuaufstellung (Greenfield) dürfte dagegen selten angebracht sein, da es in der Regel Sinn ergibt, an gut laufenden Prozessen und Strukturen, die über viele Jahre weiterentwickelt wurden, festzuhalten.
Gute Planung führt zum Erfolg
Die Wahl eines gemischten Ansatzes wirkt sich auf die Planung und den Zeitrahmen aus. Er erfordert tiefgreifendere Vorüberlegungen und eine gründlichere Vorbereitung, bevor das eigentliche Implementierungsprojekt startet. Vorab muss gut begründet entschieden werden, welche Prozesse und Strukturen man behalten möchte und was neu im Sinne von Greenfield aufgesetzt werden soll. Dies alles fußt auf der entscheidenden Grundfrage: Was soll überhaupt erreicht werden? Ihre Beantwortung führt zum Zielbild.
Anschließend ist es essenziell, das gesamte Transformationsvorhaben gemäß dem Zielbild zu unterteilen, also entlang der Zeitachse in sinnvolle Etappen aufzubrechen. Jede Etappe sollte zu nutzbaren Ergebnissen führen.
Denkbar wäre, zunächst ein Template zu entwickeln, das z. B. alle Prozesse abbildet, die in einem bestimmten Geschäftsbereich benötigt werden, gefolgt von Roll-Out-Projekten in diesem Geschäftssegment. Alternativ könnten bestimmte Gesellschaftstypen zuerst angegangen werden oder ganze Regionen als Piloten wirken. Dadurch lassen sich erste Erfahrungen sammeln, ehe man das neue ERP weiter in der gesamten Organisation ausbaut. Eine „Scheibchentaktik“ im positiven Sinne, weil sie die Organisation gegebenenfalls weniger fordert als kurze Projektlaufzeiten mit umfangreicherem Scope.
Noch weiter ginge ein konsequent agil gedachtes Unterfangen: vom schnell nutzbaren Kernprodukt bis zur umfassenden ERP-Lösung.
Etappenweise Mehrwert schaffen
Vor dem Start des Projekts wird also klar definiert, was wann live geht. Somit werden für jede der Projektetappen Zielmarken gesetzt. Dadurch gelingt es, bereits nach der Realisierung jeder Etappe Mehrwert zu generieren und von der S/4HANA-Einführung zu profitieren.
Das beschriebene Vorgehen hat zwei Vorteile. Erstens beugt es der in vielen Unternehmen herrschenden Sorge vor, die ERP-Transformation sei ein jahrelanges Projekt, an dessen Ende erst die Vorteile sichtbar werden und realisiert werden können. Zweitens sorgt die sinnvolle Unterteilung für eine weniger intensive Einsatzplanung, die die Mitarbeitenden nicht überfordert.
Mein Fazit: Es lohnt sich, das von SAP verlängerte Wartungsintervall für eine noch bessere, weitsichtigere Planung zu nutzen und dadurch mehr Sicherheit zu gewinnen – für eine erfolgreiche S/4HANA-Transformation auf Basis eines gemischten oder eines weitgehenden Greenfield-Ansatzes.