Viele deutsche Unternehmen haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten beträchtliche Summen in der Ukraine und in Russland investiert. Sie unterhalten regionale Tochtergesellschaften, produzieren und vertreiben ihre Produkte vor Ort. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat diese florierenden Geschäftsbeziehungen mit teils hohen Gewinnen jäh beendet.
Die Kriegshandlungen in der Ukraine haben jede Art der wirtschaftlichen Wertschöpfung vor Ort zunichte gemacht. Aber auch das Russland-Geschäft ist schwer belastet. Hier stehen die Unternehmen vor einem schweren Dilemma. In Folge der zahlreichen Sanktionen ist jede wirtschaftliche Tätigkeit rechtlich schwierig und risikoreich. Wird am Geschäft in Russland festgehalten, drohen zudem massive Reputationsschäden. Viele Unternehmen hinterfragen ihr Geschäft vor Ort aber auch aus moralischer Perspektive.
Die Beweggründe der Unternehmen mögen unterschiedlich sein, wie auch ihre in Russland erzielten Gewinne – als Konsequenz bleibt jedoch meist nur der Rückzug aus dem Russland-Geschäft. Dies aber führt nicht nur zu operativen Verlusten in enormer Höhe, sondern kann als Folge der neuen Gesetzeslage in Russland auch in einer faktischen Enteignung enden. Die Belastung in den Bilanzen der deutschen Industrie beträgt durch diese Sondereffekte bereits heute viele Milliarden Euro.
Hohe Hürden für steuerliche Abschreibungen
Wenn wir über die Belastung der Unternehmen sprechen, dann stellt sich die Frage, ob diese in Deutschland zumindest steuerlich geltend gemacht werden können, damit es nicht zu einer Überbesteuerung kommt.
Hierbei ist zunächst zwischen verschiedenen Arten von Aufwendungen zu unterscheiden. Insbesondere können sich in der deutschen Bilanz des Unternehmens Verluste aus ausländischen Geschäftsaktivitäten in Form von Abschreibungen auf Beteiligungen und Abschreibungen auf Forderungen gegen lokale Tochtergesellschaften zeigen. Bei der Abschreibung auf Beteiligungen lässt das deutsche Steuerrecht aktuell keinen Abzug zu. Dies liegt darin begründet, dass auch auf Gewinne aus Beteiligungen an Tochtergesellschaften unabhängig von ihrer Höhe keine Steuer entrichtet werden muss und entsprechend auch Verluste nicht zum Abzug kommen.
Auch bei der Abschreibung von Forderungen an verbundene Unternehmen scheidet ein steuerlicher Abzug oftmals aus. Grundsätzlich sind im Steuerrecht Gewinn und Verlust aus Forderungen steuerpflichtig. Allerdings stellt das Steuerrecht hohe Hürden an die Abzugsfähigkeit für den Verlust aus Forderungen an verbundene Unternehmen auf. So muss der Steuerpflichtige nachweisen, dass die Forderung auch durch einen fremden Dritten zu gleichen Konditionen ohne Berücksichtigung des Konzernverbundes gewährt bzw. zwischenzeitlich nicht zurückgefordert worden wäre. Dieser Nachweis gelingt in der Praxis häufig nicht. Dieses Abzugsverbot erscheint überzogen, insbesondere vor dem Hintergrund der Sondersituation, die der Ukraine-Krieg ausgelöst hat. Auch kann in diesem Zusammenhang ein Fremdvergleich nicht mehr als Maßstab angelegt werden, denn Banken würden aufgrund der regulatorischen Vorgaben durch wechselseitige Sanktionen kaum noch eine Finanzierung gewähren.
Steuerliche Attraktivität des Standorts Deutschland stärken
Aktuell wird politisch darüber debattiert, wie krisenbedingte Übergewinne besteuert werden sollten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob nicht auch die steuerliche Belastung von Unternehmen, die kriegsbedingte Verluste erleiden, diskutiert werden sollte. Insbesondere wenn man die Steuer-Mehreinnahmen der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der aktuellen Inflation betrachtet. Diese zusätzlichen fiskalischen Erlöse ergeben sich beispielsweise dadurch, dass aufgrund gestiegener Preise die Umsatzsteuereinnahmen zunehmen und die Lohnsteuer als Folge der Abbildung der Inflation in den Gehaltsrunden steigt. Auch eine steuerliche Geltendmachung von Forderungsverlusten wäre möglich, ohne mit der grundsätzlichen Steuersystematik in Deutschland brechen zu müssen.
Zudem hängt die wirtschaftliche Attraktivität des Standorts Deutschland nicht unbeträchtlich von der Höhe der Steuer ab, welche die Unternehmen vor Ort entrichten müssen. Eine Anrechnung der Verluste aus dem Ukraine- und Russland-Geschäft würde die betroffenen Unternehmen und die deutsche Wirtschaft insgesamt stärken und die Attraktivität des Standorts Deutschland auch in Krisenzeiten unter Beweis stellen.