Also könnte autonomes Fahren die Innenstädte stark verändern. Was ist Ihre Vision von autonomen Fahrzeugen in Personenverkehr?
Torsten Gollewski: Die ideale Lösung wäre aus meiner Sicht, dass autonome Shuttles auf separaten Spuren am Stau vorbeifahren. Wenn Städte dann autofrei werden, wird es noch leichter, das autonome Fahren zu regeln. Zwar sind wir in Deutschland davon noch ein ganzes Stück entfernt, aber einige Städte in Europa greifen bereits auf solche Modelle zurück oder stecken gerade in der Entwicklung.
Goran Mazar: Der individuelle Personenverkehr soll langfristig durch andere Mobilitätskonzepte ersetzt werden. Um diese neuen Geschäftsmodelle zu entwickeln, brauchen wir viel mehr Zusammenarbeit zwischen öffentlichem Sektor und Privatsektor. Ein anderer kritischer Bereich, in den wir intensiv investieren müssen, ist die Sicherheit. Damit ist zum einen die physische Sicherheit der Passagiere im autonomen Fahrzeug gemeint. Zum anderen spielt Cybersecurity, also die Sicherheit der Passagierdaten, eine große Rolle.
Torsten Gollewski: Es geht um Fragen wie: Fühlt sich der Passagier im autonomen Fahrzeug gut aufgehoben? Wenn ich allein im Shuttle sitze, wer steigt dann dazu? Themen wie Kriminalität und medizinische Notfälle müssen geregelt werden.
Das Thema Cybersecurity betrachte ich mit Aufmerksamkeit, aber auch mit einer gewissen Sorge darüber, was an Systemkomponenten eingesetzt wird. Bei ZF legen wir viel Wert darauf, Automotive Credit Standards einzuführen. In unserem System zum autonomen Fahren ist jede einzelne Komponente gegen Cybersecurity abgesichert – so, wie man es nach ISO-Standards kennt. Wir haben nicht nur Software-Blockaden für Eindringlinge, sondern auch Hardware-Absicherungen. Cybersecurity ist ein wichtiger Baustein, damit autonomes Fahren von der Gesellschaft akzeptiert wird.
Worauf sollten sich Autohersteller bei der Entwicklung autonomer Fahrzeuge konzentrieren?
Torsten Gollewski: In den Sensortechnologien machen wir große Fortschritte und haben eine gute Startposition. In der Rechnerleistung hingegen haben wir immer den gleichen „Hunger“. Die Rechnerleistung reicht für den Softwareentwickler nie. Deswegen werden wir diese weiter ausbauen, womit allerdings die Kosten hochgehen. Der nächste wichtige Schritt ist jedoch erstmal, bestimmte Rahmenbedingungen in der Technologie zu schaffen und beispielsweise mit schlechten Wetterbedingungen, wie Schneetreiben und Blitzeis, umgehen zu können. Wie detektieren wir eigentlich Blitzeis auf 50 bis 100 Meter im Voraus?
Goran Mazar: Außerdem sollten sich Autohersteller gut überlegen, worein sie investieren möchten. Möchten sie im Logistikbereich oder im öffentlichen Personennahverkehr spielen? Möchten sie Mobilitätsanbieter sein oder Komponenten anbieten? Oder Cybersecurity-Lösungskonzepte entwickeln? An dieser Stelle sollten Autoproduzenten fokussiert vorgehen.
Danke für das Gespräch.
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