Mit Spannung erwarten viele Unternehmen zum Jahreswechsel das Inkrafttreten des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes. Darüber hinaus wurde die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) im November dieses Jahres vom EU-Parlament angenommen und wird so die bisherige Nonfinancial Reporting Directive (NFRD) ersetzen.
Dies sind nur einige Beispiele der Regelungen rund um ESG (Environmental, Social and Governance)-Themen, die Unternehmen auf regulatorischer Ebene in Zukunft erwarten. Hinzu kommen Erwartungen von Kunden. Die Frage, die in vielen Firmen daher ganz oben auf der Agenda steht: Wie schaffen wir entsprechende Strukturen, die Anforderungen des Gesetzgebers genauso Rechnung tragen wie der von Kunden?
Nachhaltigkeit ist mehr als ein Compliance-Thema
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass das Thema Nachhaltigkeit immer stärker Gegenstand von nationalen wie internationalen Regulierungen wird. Beispielhaft ist hier die CSRD, die nach der finalen Verabschiedung zu einer Berichtspflicht für Unternehmen führt. EU-weit verpflichtet die CSRD ab 2025 schätzungsweise mehr als 49.000 Unternehmen, ihre Nachhaltigkeitsinformationen offenzulegen. Auch bei den nicht-gesetzlichen Rahmenwerken gibt es einige Veränderungen für Unternehmen zu beachten: Die bisherigen, global angewendeten Standards für Nachhaltigkeitsberichterstattung der Global Reporting Initiative (GRI) bekommen Konkurrenz. Darüber hinaus hat das International Sustainability Standard Board (ISSB) begonnen globale Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung aufbauend auf den industriespezifischen Standards des Rahmenwerks des Sustainability Accounting Standards Board (SASB) zu veröffentlichen.
Neben den jüngsten Entwicklungen der Rahmenwerke kommt auch stärker die Bedeutung der doppelten Wesentlichkeit für Unternehmen zum Tragen. Hierbei werden zum einen die Auswirkungen des Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft betrachtet. Zum anderen geht es um die Auswirkungen von Umwelt und Gesellschaft auf das Unternehmen selbst.
Ziel für Unternehmen sollte es sein, die Berichterstattung mehr als ein strategisches Element zu betrachten. Hinter den neuen Rahmenwerken steht die grundsätzliche Annahme, dass Unternehmensführungen die Sorgfaltspflichten entlang der Wertschöpfungskette wahrnehmen sowie die externe Wahrnehmung des Unternehmens im Markt und in der Gesellschaft verbessern wollen.
Der Schlüssel für diese Veränderung liegt in der eigenen Rollenwahrnehmung und Sichtweise. Eine auf nachhaltige Aspekte fokussierte Governance trägt dazu bei, mit informierten Entscheidungen und mit Hilfe validierter Prozesse und Strukturen die Unternehmensrisiken zu minimieren. Darüber hinaus können sich Unternehmen so auch ihrer sozialen Verantwortung stellen. Denn wissenschaftliche wie auch zivilgesellschaftliche Akteursgruppen hinterfragen zuletzt verstärkt die Zielsetzungen der Unternehmen mit Fokus auf das Thema Nachhaltigkeit. Dabei geht es auch um eine Konsistenz in den Unternehmensbemühungen und in der Berichterstattung.
Crosslink: nachhaltige Corporate Governance und Finanzberichterstattung
Bei der finanziellen Berichterstattung haben sich die Modelle über Jahrzehnte hinweg etabliert. Im Gegensatz dazu entwickeln sich die Berichterstattungspflichten und dazugehörigen Rahmenwerke bei ESG-Themen rasant. Das Ziel der EU ist es, die Nachhaltigkeitsberichterstattung langfristig auf dasselbe Level wie die Finanzberichterstattung zu heben. Der Corporate Governance in Unternehmen fällt aus diesem Grund eine entscheidende Rolle zu. Nur durch etablierte Prozesse und ein gemeinsames Verständnis in der Unternehmensführung lassen sich so die Herausforderungen der nicht-finanziellen Berichterstattung meistern.
Darüber hinaus legt die CSRD nicht nur fest, wer zukünftig berichten muss, sondern definiert auch das ‚Wie‘ und ‚Wo‘. So soll das ESG-Reporting zwingend im Lagebericht verankert werden. Ebenfalls kommt es zur Prüfpflicht der Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Governance: die Klammer zur Berichterstattung
Für eine gelungene Corporate Governance sehe ich zunächst, dass die Verantwortlichkeiten definiert werden müssen. Weiter müssen die notwendigen Prozesse aufgesetzt und dargelegt werden, um das Risikomanagement abzubilden. Abschließend sind ein regelmäßiges Monitoring sowie die notwendige Steuerung unerlässlich, um den Anforderungen der Berichterstattungspflichten gerecht zu werden. Gemeinsam bilden diese Elemente das Rückgrat einer jeden bewussten Entscheidung im Unternehmen. Zusammen mit einer konsistenten Zielverfolgung, unterfüttert in einer dezentralen Struktur, können Prozesse mit Blick auf potenzielle Risiken abgestimmt werden. Die letzten Jahre haben deutlich gezeigt, dass eine langfristige Planung mit Blick auf gesellschaftliche und politische Ereignisse nicht immer realisierbar ist. Die Berichterstattungspflichten werden kommen und das Thema Nachhaltigkeit wird weiter in das Zentrum der Unternehmensstrukturen rücken. Eine vorbereitete unternehmensinterne Governance ist hier unerlässlich.
Die Devise lautet: Es ist noch Zeit zum Handeln
Auch wenn die CSRD bereits naht, ist noch Zeit zu handeln. Es gilt nicht nur für börsennotierte und/oder große Unternehmen, sich mit dem Thema Upskilling zu befassen. Neben einer freiwilligen Berichterstattung können auch kleinere und mittelständische Unternehmen von den Berichtspflichten großer und internationaler Unternehmen betroffen sein, da sie durch globale Lieferketten mit großen Unternehmen vernetzt sind.
Investieren Sie daher noch rechtzeitig in wertversprechendes ESG-Wissen und integrieren Sie dieses in Ihre Unternehmensstrategie. Zusätzlich sollten im Rahmen einer Wesentlichkeitsanalyse die Themenperspektiven, auch mit dem Blick auf die Machbarkeit, analysiert werden.
In einer nachhaltigen Governance sehe ich Chancen für Unternehmen: Neben einem Wettbewerbsvorteil verhindert ein konsistentes Handeln die Vermutung des Greenwashings und gleichzeitig wird das Unternehmen von potenziellen Mitarbeiter:innen positiv wahrgenommen. Zudem lassen sich Entscheidungsprozesse aus unterschiedlichen Szenarien betrachten und mit Hilfe robuster, informierter Entscheidungen die Weichen für die Zukunft stellen.
Ausblick für deutsche Unternehmen
Den Wirtschaftsstandort Deutschland sehe ich hier in einer zentralen Rolle bei der zukünftigen Ausgestaltung der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die ESG-Transformation wird aktiv von Wirtschaftsnationen wie Deutschland beschleunigt und viele deutsche Unternehmen sind hier bereits gut aufgestellt. Doch es gilt, auch weiterhin eine konsistente Vorreiterrolle einzunehmen und Investor:innen dazu zu bewegen, weiter in die ESG-Transformation zu investieren. Über kurz oder lang werden sich alle Unternehmen mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen müssen.
Hier das gesamte Interview als Aufzeichnung anschauen
Sie wollen noch mehr zum Thema einer nachhaltigen Corporate Governance erfahren? Dann schauen Sie sich hier die gesamte Aufzeichnung meines Gesprächs mit Nadine-Lan Hönighaus, Geschäftsführerin, Econsense, und Mitglied des Beirats der Bundesregierung zur Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes, vom KPMG Zukunftsgipfel an.