Lächelnde Frau, die Pakete vom Fließband hebt.

Kurz, regional und transparent: Worauf es bei Lieferketten ankommt

Fünf Maßnahmen, um agile und widerstandsfähige Wertschöpfungsketten aufzubauen.

Die vergangenen Jahre haben gezeigt: Globalisierte und just-in-time-Lieferketten stehen vor neuen Herausforderungen. Ereignisse wie der Krieg Russlands gegen die Ukraine, Handelsbeschränkungen, Null-Covid-Strategie inklusive der Stilllegungen der Häfen in China, aber auch die Knappheit mancher Rohstoffe sorgten für Unterbrechungen in der Lieferkette. Die Fragilität von globalen Supply Chains wurde sichtbar. Störungen in der Lieferkette führten teilweise zu Produktionsausfällen.

Lieferkettendisruptionen: Erste Reaktionen aus der Praxis

Deshalb erleben wir bereits seit einiger Zeit eine Um- bzw. Neugestaltung von globalen Wertschöpfungsnetzwerken und Lieferketten. Eine Studie des ifo-Instituts zeigt, dass Unternehmen auf diese Entwicklungen reagieren und nach neuen Wegen suchen, um resilientere Lieferketten zu schaffen: 68 Prozent der befragten Firmen haben ihre Lager vergrößert, 65 Prozent haben sich zusätzliche Lieferanten gesucht und 54 Prozent überwachen ihre Lieferketten inzwischen intensiver als zuvor.

Wie man agile und widerstandsfähige Lieferketten aufbaut

Das Wort des Jahres 2022, die „Zeitenwende“, wird sich demnach auch im Supply Chain Management im kommenden Jahr niederschlagen. Ein Paradigmenwechsel ist dringend notwendig, um widerstandsfähige und agile Lieferketten der Zukunft aufzubauen. Lieferketten sollten kürzer, regionaler und gleichzeitig transparenter werden. Dies erfordert heute umso mehr ein vorausschauendes und umfassendes Lieferantenrisikomanagement.

Folgende Aspekte sind voraussichtlich im Jahr 2023 wesentlich für die Schaffung von resilienten und zukunftsfähigen Lieferketten:

  1. Handlungsfähigkeit für unvorhersehbare Ereignisse steigern

Politische Unruhen, Pandemien oder auch Naturkatastrophen sind nicht oder nur kaum beeinflussbare Entwicklungen, welche einen wesentlichen Risikoanstieg mit sich bringen. Um auf mögliche negative Folgen flexibel reagieren zu können, sollten Unternehmen ihre Handlungsfähigkeit durch präventive Maßnahmen steigern.

Dies kann beispielsweise durch eine Diversifizierung und Regionalisierung der Lieferanten erreicht werden oder indem Lieferbeziehungen mit Unternehmen in Ländern eingegangen werden, die die gleichen Wertvorstellungen besitzen, ähnlich wie beim Friend Shoring.

2. Reduzierung von Rohstoffabhängigkeiten

Die Knappheit der wichtigsten Industriemetalle ist unter anderem an der Londoner Metallbörse zu erkennen. Dort erreichten die Preise für Kupfer, Zink oder Zinn neue Rekordwerte. Diese sogenannten Vorleistungsgüter waren im Januar 2022 um 20,7 Prozent teurer als ein Jahr zuvor.

Diese Knappheit ist unter anderem auf die Monopolstellung Chinas zurückzuführen. Laut dem ifo-Institut ist China für sieben der neun kritischen Rohstoffe unter den fünf wichtigsten Exporteuren der Welt. Dem Institut der Deutschen Wirtschaft zufolge, liegt der Anteil an chinesischen Exporten von Magnesium in die Welt und an deutschen Importen bei über 50 Prozent. In Bezug auf Seltenerd-Permanentmagnete, welche zu über 90 Prozent aus China stammen, ist die Europäische Union beinahe vollständig importabhängig. Diese Monopolstellung führte neben der Knappheit durch Exportverbote auch zu signifikanten Preissteigerungen in der Vergangenheit.

Um den aus der Abhängigkeit entstehenden Risiken entgegenzuwirken, ist das Etablieren eines diversifizierten und flexiblen Lieferantenmanagementsystems wichtig. Themen wie Circular Economy und Sekundärmaterialien gewinnen neben dem Aspekt der Nachhaltigkeit auch aus Gründen der Versorgungssicherheit an Bedeutung.

3. Diversifizierung der Energieversorgung durch die Nutzung von alternativen Energiequellen

2021 kamen circa 55 Prozent der gesamtdeutschen Erdgasimporte aus Russland. Auch weltweit besteht eine hohe Abhängigkeit von fossilen Energieträgern beispielsweise für die Stromproduktion. Dies birgt wirtschaftliche Risiken für die Unternehmen. Der Krieg in der Ukraine hat jüngst die fatalen Folgen dieser Abhängigkeit bewiesen. Die Preise für Erdgas stiegen im 1. Halbjahr 22 um fast 40 Prozent gegenüber dem 2. Halbjahr 2021. Aufgrund einer gegenseitigen Abhängigkeit wirkt sich diese Entwicklung auf den Strompreis aus. Auch aus Sicht der Klimakrise ist die Verwendung von fossilen Energieträgern problematisch.

Deshalb sollten Unternehmen jetzt damit beginnen, in neue, alternative Energieträger zu investieren. Durch Energiesubstitute kann zum einen der Klimawandel verlangsamt und zum anderen die Abhängigkeit zu herkömmlichen Energieträgern gelöst werden. Somit können Unternehmen ihre Energieversorgung diversifizieren.

4. Regulatorische Konformität

Zunehmende gesetzliche Anforderungen und Vorgaben wie zum Beispiel die EU-Taxonomie, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder auch die EU-Datenschutzgrundverordnung üben Druck auf Unternehmen aus und fordern verstärkt verantwortungsvolles Handeln ein.

Um rechtzeitig auf regulatorische Veränderungen reagieren zu können und die neuen Anforderungen nicht nur zu erfüllen, sondern sich als Vorreiter zu positionieren, müssen die Erwartungen der Stakeholder in die Geschäftsprozesse integriert und fortlaufend überwacht werden. Dazu gehört auch das Monitoring von Gesetzesvorgaben außerhalb von Deutschland, wie beispielsweise in China oder den USA.

5. Nachhaltigkeit: Erfüllung von ESG-Kriterien

Mit ESG-konformen Lieferketten kommen Unternehmen ihren regulatorischen Pflichten und den Anforderungen von Kunden und Investoren nach, fördern vertrauensvolle und stabile Lieferantenbeziehungen, senken das Risiko eines Reputationsschadens und stärken auch ihre Arbeitgeberattraktivität.

Um die Kriterien in den Bereichen Environment, Social und Governance zu erfüllen, sind Stakeholder- und Risikoanalysen unabdingbar. Des Weiteren unterstützen optimierte Audit- und Revisionsprozesse sowie Formate wie interne und externe Workshops oder Schulungen beim Aufbau nachhaltiger Supply Chains.

Ausblick

In einer Zeit multipler Krisen sind viele Unternehmen mit Rohstoff- und Energieknappheit und hieraus resultierenden Lieferkettenstörungen konfrontiert. Doch wer sich rechtzeitig mit den genannten Themen auseinandersetzt und seine Lieferkette neu ausrichtet, kann gestärkt und zuversichtlich in die Zukunft gehen.