Im Fokus: Lieferkettengesetz
Lieferketten werden durch die Globalisierung zunehmend komplexer. Gerade die deutsche Wirtschaft ist besonders intensiv in die weltweite Arbeitsteilung eingebunden und verfügt über weitverzweigte Lieferketten. Mit der steigenden Komplexität wird es für Unternehmen umso schwerer, Transparenz entlang ihrer Wertschöpfungsketten zu schaffen.
Dabei spielt – gerade im Zuge der wachsenden Relevanz nachhaltigen Wirtschaftens – die Einhaltung der Menschenrechte eine herausragende Rolle. Das Thema hat auch im öffentlichen Bewusstsein erheblich an Bedeutung gewonnen: Vorteile der internationalen Arbeitsteilung sollten nicht darauf beruhen, dass in bestimmten Ländern Menschenrechte missachtet werden.
Insbesondere in globalen Lieferketten treten jedoch vermehrt Menschenrechtsverletzungen auf, soziale Mindeststandards wie das Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit werden missachtet. In Erinnerung geblieben ist beispielsweise der Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch im Jahr 2013 mit mehr als 1.100 Toten. Danach wurde verstärkt über Corporate Social Responsibility entlang von Lieferketten diskutiert.
Worum geht es im Lieferkettengesetz?
Um die Einhaltung von Menschenrechten in den Lieferketten zu verbessern, haben der Deutsche Bundestag und der Bundesrat im Juni 2021 ein Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten – Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) oder kurz Lieferkettengesetz – verabschiedet.
Das Lieferkettengesetz definiert für betroffene deutsche Unternehmen (und bestimmte ausländische Unternehmen) klare Anforderungen an ein verantwortliches Management von Lieferketten und zur besseren Achtung der Menschenrechte in den Lieferketten. Damit werden die entsprechenden unternehmerischen Sorgfaltspflichten gesetzlich verankert.
Für welche Unternehmen gilt das Lieferkettengesetz?
Das Lieferkettengesetz gilt seit Jahresbeginn 2023. Es tritt in zwei Stufen in Kraft:
- Vom Gesetz erfasst werden seit 1. Januar 2023 zunächst Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden.
- Vom 1. Januar 2024 an wird der Anwendungsbereich ausgedehnt auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden.
Beide Schritte gelten auch für Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen in Deutschland mit den genannten jeweiligen Mindestbeschäftigtenzahlen.
Menschenrechte und Umweltthemen: Welche Vorschriften müssen beachtet werden?
Das Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen zur Prävention von und Reaktion auf Menschenrechtsverletzungen in der gesamten Lieferkette. Auch Umweltbelange sind relevant, wenn sie zu Verletzungen von Menschenrechten führen oder dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen. Insofern existieren auch Sorgfaltspflichten im Hinblick auf Umweltthemen wie z.B. sauberes Wasser.
Die Anforderungen im Lieferkettengesetz sind den verschiedenen Stufen in der Lieferkette (eigener Geschäftsbereich, unmittelbare Zulieferer und mittelbare Zulieferer), der Schwere der Verletzung und dem Einflussvermögen auf den Verursacher der Menschenrechtsverletzung angepasst. So gelten bei mittelbaren Zulieferern in der Lieferkette die Sorgfaltspflichten nur anlassbezogen und nur, wenn das Unternehmen Kenntnis von einem möglichen Verstoß gegen Menschenrechte erlangt.
Die Bundesregierung betont, dass das Lieferkettengesetz nicht darauf abzielt, überall in der Welt deutsche Sozialstandards umzusetzen, sondern grundlegende Menschenrechtsstandards einzuhalten.
Welche unternehmerischen Sorgfaltspflichten sind umzusetzen?
- Einrichtung eines Risikomanagements in allen maßgeblichen Geschäftsabläufen
- Durchführung jährlicher Risikoanalysen zur Identifikation von Risiken im eigenen Geschäftsbereich und bei unmittelbaren Zulieferern (Verfahren zur Ermittlung nachteiliger Auswirkungen auf die Menschenrechte)
- Verabschiedung einer Grundsatzerklärung zur Menschenrechtsstrategie durch die Unternehmensführung
- Implementierung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich und bei unmittelbaren Zulieferern
- Ergreifen von Abhilfemaßnahmen, um Rechtsverletzungen zu verhindern, zu beenden oder zu minimieren
- Etablierung eines Beschwerdeverfahrens (Beschwerdestelle)
- Anlassbezogene Risikoanalysen, Präventions- und Abhilfemaßnahmen bei mittelbaren Zulieferern
- Erstellung und Veröffentlichung eines Berichts über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten
Was droht bei Verstößen gegen das LkSG?
Je nach Bedeutung/Schwere des Verstoßes gegen die Sorgfaltspflichten können Bußgelder von bis zu zwei Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes verhängt werden. Außerdem existiert die Möglichkeit, Unternehmen bei Verstößen gegen die Vorgaben des Lieferkettengesetzes bis zu drei Jahre von der Vergabe öffentlicher Aufträge auszuschließen. Darüber hinaus besteht das Risiko negativer Öffentlichkeitswirkung und Reputationsschäden sowie Haftung.
Wer kontrolliert die Einhaltung des Lieferkettengesetzes?
Die effektive Durchsetzung des Lieferkettengesetzes obliegt dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Es kontrolliert die Unternehmensberichte und kann bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflichten Sanktionen verhängen. Betroffene von Menschenrechtsverletzungen können ihre Rechte künftig nicht nur weiterhin vor deutschen Gerichten geltend machen, sondern auch Beschwerde beim BAFA einreichen.
Das Lieferkettengesetz soll somit dazu dienen, Nachhaltigkeit konsequent in der Wertschöpfungskette zu verankern und etablieren.
CSDDD: Was bedeuten die Regelungen der Europäischen Union?
Das deutsche Gesetz könnte der erste Schritt hin zu einer europaweiten Regelung hinsichtlich der Achtung von Menschenrechten durch die Wirtschaft entlang ihrer Lieferketten sein. Im Februar 2022 hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für eine Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) vorgelegt. Die Richtlinie definiert – ähnlich wie das deutsche Lieferkettengesetz – Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf soziale und ökologische Wirkungen in der gesamten Lieferkette inklusive des eigenen Geschäftsbereichs. Inhaltlich geht die CSDDD weit über das deutsche LkSG hinaus.
Wie können Unternehmen das Lieferkettengesetz umsetzen?
Wie Sie das LkSG in vier Schritten umsetzen können, beschreibt Dr.-Ing. Sylvia Trage in einem Klardenker-Beitrag. Dadurch wird nicht nur das Vertrauen in das eigene Unternehmen und seine Produkte sowie in die deutsche Wirtschaft insgesamt gestärkt – man kann auch darüber hinaus profitieren, wie Eun-Hye Cho erläutert. Dazu zählen etwa Reputationsvorteile bei Konsument:innen, eine verbesserte Qualität der Vorprodukte sowie resilientere Lieferketten.
Das Lieferkettengesetz sieht bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflichten strenge Sanktionen vor – doch die Vorgaben an die Wirtschaft bleiben teils unbestimmt. Dies erläutert Dr. Thomas Uhlig in einem Blogbeitrag.
Unser Produktblatt zum Lieferkettengesetz finden Sie hier. Im Whitepaper „Die Supply Chain der Zukunft“ beschreiben wir Maßnahmen zur nachhaltigen und transparenten Gestaltung von Lieferketten.